Sonntag, 3. Januar 2010

 

           Michaels Abenteuer bei den Bienen

Sanft strich der laue Sommerwind über die Hügel vor der Stadt. Die Sonne sendete ihre warmen Strahlen zur Erde. Die Luft war angefühlt mit dem Duft der Sommerblumen, die überall auf den Wiesen blühten. Am Himmel zogen die Wolken wie eine Herde Schafe ihre Bahn.
Michael lag zwischen dem gelben Löwenzahn. Verträumt kaute er auf einem Grashalm umher. Mit halb zugekniffenen Augen betrachtete er den tiefblauen Himmel. Vögel flogen über ihn hinweg und neben dem Jungen im Gras zirpte eine Grille ihr Lied. Summend näherte sich ihm eine vorwitzige kleine Biene. Michael hob seine Hand um sie zu vertreiben. Doch was war das? Plötzlich vernahm er eine leise wispernde Stimme nahe bei seinem Ohr.
"Hey, was soll denn das? Ich will doch nur meine Arbeit machen. Was kann ich denn dafür, dass du dich ausgerechnet zu den schönsten Blumen legen musstest. Ich hätte doch wohl mehr Recht dich von hier zu vertreiben!"
Verwundert sah sich Michael um. Woher kam die Stimme? Er konnte niemanden entdecken. Nur die kleine Biene, die er gerade verscheuchen wollte. Und wieder hörte der Junge diese leise Stimme, die aus dem nichts zu kommen schien.
"Was guckst du so? Ich bin es, die kleine Biene."
Michael traute seinen Augen und Ohren nicht. Das gab es doch nicht. Bienen können nicht reden.
"Du redest mit mir?" fragte der Junge zögernd.
"Ja natürlich" summte das Bienchen. "Oder glaubst du ihr Menschen könntet euch alleine nur unterhalten? Wir Bienen haben doch auch etwas zu sagen. Du bist zwar der erste Mensch mit dem ich rede, aber meine Verwandten haben mir schon oft erzählt, dass sie Geschäfte mit euch machen. Dazu muss man sich doch verständigen können oder täusche ich mich da?"
"Weißt du kleine Biene, ich bin nur so überrascht, dass ich dich verstehen kann. Bisher hörte ich eure Sprache nur als ein leises Summen. Hast du Kleine auch einen Namen?" fragte Michael.
"Natürlich habe ich den. Ich heiße Goldflügelchen. Aber du darfst Goldie zu mir sagen. Weil du doch mein Freund bist. Oder?"
"Ich bin der Michael und freue mich, dich Goldie zur Freundin zu haben. Du bist doch ein Mädchen?"
"Ja natürlich, was denkst du denn."
Michael lächelte, dann sagte er:
"Ich kann es noch gar nicht richtig glauben, dass ich mich wirklich mit dir hier unterhalte. Wenn ich das meinen Freunden erzähle, die werden mir gar nicht glauben wollen."
"Das darfst du deinen Freunden auch nicht verraten. Es können nämlich nur ganz wenige von euch mit uns reden."
Eine andere Biene kam zu den Beiden geflogen.
"Freue dich an deiner Gabe und hüte dieses Geheimnis gut. Wenn du davon jemanden erzählst, wirst du uns niemals mehr verstehen können. Übrigens ich bin Honiglöckchen."
Michael betrachtete seine neuen Freunde genau. Sie sahen eigentlich wie ganz normale Bienen aus. Er konnte nichts Besonderes an ihnen finden.
"Ich glaube ich träume." sagte er. "Das kann es doch gar nicht geben."
"Hörst du das Honiglöckchen? Er glaubt uns immer noch nicht. Ich denke wir müssen ihn erst einmal mit unseren Stacheln aufwecken." sagte Goldie leise, damit Michael es nicht hören sollte. Doch der Junge hatte gute Ohren und so entgingen ihm die Worte nicht.
"Nein, nein, ihr braucht mich nicht zu stechen. Ich werde doch meinen Augen und Ohren glauben. Aber sagt mal, könnt ihr mir nicht etwas von euch erzählen? Wo seid ihr zu Hause? Ach bitte, ich möchte doch noch mehr über euch erfahren." Er schaute die Beiden mit seinen großen blauen Augen an.
"Aber natürlich," sagte Honiglöckchen.
"Ich werde dir etwas von uns erzählen, aber nur, wenn du uns versprichst uns dann nicht mehr zu jagen oder gar zu töten. Es gibt viele von euch, die, nur weil sie Angst haben, dass wir sie stechen, lieber mit einer Fliegenklatsche oder anderen Instrumenten auf uns einschlagen. Andere sind noch gemeiner. Sie stellen uns eine Flasche mit Zuckerwasser hin. Wir freuen uns dann und denken sie meinten es gut mit uns, dabei haben diese Flaschen nur den einen Zweck, dass wir darin ertrinken sollen. Ist das nicht gemein von ihnen?"
Michael sah sie traurig an.
"Ja, davon habe ich auch schon gehört. Ich verspreche euch aber, dass ich solche Sachen nicht mit euch machen werde."
"Ach sei nicht traurig" sagte Goldie. "Wir rechen uns für solche Taten. Bei diesen Leuten macht das Stechen gleich noch mal soviel Freude."
Michael glaubte Goldie lächeln zu sehen.
"Aber jetzt möchte ich dir etwas von uns erzählen. Wir wohnen dort drüben im Wald. Da haben wir unseren Bienenstock aufgebaut. Viele Bienen wohnen dort. Goldflügelchen und ich sind Arbeitsbienen. Wir sammeln den Nektar von den Blumen und bringen ihn nach Hause, damit unsere Königin und alle anderen dort immer etwas zu essen haben. Außerdem stellen wir daraus den Honig her, den ihr Menschen uns ja immer holt. Ihr seid eben auch alle Leckermäulchen. Zum Nektarsammeln fliegen wir den ganzen Tag umher auf der Suche nach den schönsten Blumen mit den süßesten Säften..."
Honiglöckchen wurde jäh unterbrochen. Ein ganzer Schwarm Bienen kam aufgeregt herbei geflogen. Eine der Vordersten rief ihnen zu:
"Goldie und Honiglöckchen, da seid ihr ja. Wir haben euch schon gesucht. Ihr müsst schnell mit uns fliegen. Die bösen Wespen haben unsere Königin entführt. Sie fordern unseren ganzen Vorrat an Honig als Lösegeld. Kommt, wir müssen sie befreien."
Entsetzt sahen sich die Beiden an. Michael merkte, dass die Sachen wohl ernst war und so fragte er die Bienen, ob er ihnen nicht helfen konnte. Honiglöckchen sah ihn erstaunt an, dann fragte sie ihn:
"Wie willst du uns denn helfen. Du kannst doch noch nicht einmal fliegen."
Ja wie sollte er ihnen helfen. Michael war traurig seinen Freunden nicht beistehen zu können.
"Warte einmal Michael. Mir kommt da eine Idee." Goldie lächelte dann sah sie verstohlen nach Honiglöckchen. Diese schien Goldies Idee erraten zu haben, denn sie sagte plötzlich:
"Wenn du uns wirklich helfen möchtest, da gibt es eine Möglichkeit. In unserem Bienenstock lebt eine sehr alte Biene, die verschiedene Zauber kennt. Sie kann dir einen Trank geben, mit dem du so klein wirst wie wir und auch Flügel zum Fliegen kann sie dir zaubern. Möchtest du das?"
"Ja natürlich. Ich möchte doch meinen Freunden helfen" sagte Michael aufgeregt.
"Gut, dann warte hier. Ich werde nach Hause fliegen um dir den Trank zu hohlen."
Damit verschwand Honiglöckchen.
Es dauerte nicht lange und die Biene kam wieder zu Michael und Goldie zurück. Sie hatte einen roten kleinen Blütenkelch bei sich. Honiglöckchen war ganz außer Atem, als sie auf der Löwenzahnblüte neben ihrer Schwester landete. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie endlich wieder sprechen konnte.
"Puh, das war aber anstrengend. Hier drinnen, in dieser Blühte, ist der Zaubertrank. Du musst ihn gleich trinken. Aber ich soll dich noch warnen. Der Zaubertrank macht dich für ein paar Stunden klein wie eine Biene. Doch merke dir gut, in dieser Zeit darfst du nicht lachen, denn sobald das erste Lachen über dein Gesicht huscht, musst du für immer so bleiben. Überlege dir also gut, ob du dieses Risiko für uns eingehen möchtest." Honiglöckchen sah den Jungen ernst an.
"Da brauch ich doch nicht lange zu überlegen. Ich habe doch schon gesagt, dass ich euch helfen möchte. Freunde lässt man nicht im Stich, wenn sie Hilfe brauchen und warum sollte ich lachen. Es wird schon nichts passieren, was mich zum Lachen bringen könnte." Mit diesen Worten nahm Michael den Kelch und trank ihn schnell aus. Kaum war der Saft durch seine Kehle geronnen, als sich alles um ihn herum zu drehen begann. Es wurde immer schneller und schneller und Michael wurde schwarz vor den Augen, er fiel zu Boden. Dann war alles ruhig und so entschloss er sich seine Augen wieder zu öffnen. Doch was war das? Das Gras, welches dem Jungen vor wenigen Augenblicken noch zu den Knöcheln reichte schloss sich nun über ihm zusammen und schien ein dichter Wald zu sein.
"Michael wo bist du denn?" riefen ihn die beiden Bienen.
"Hier, aber wo seid ihr. Ich kann mich nicht zurechtfinden. Alles ist so groß. Helft mir doch." Ängstlich schaute sich Michael um. Es war alles so fremd und unwirklich.
Plötzlich hörte er ein rascheln neben sich und durch die dichten Grashalme drängten sich Goldie und Honiglöckchen. Michael war froh die beiden Bienen zu sehen. Erleichtert atmete er auf und fiel ihnen um den Hals. Das war ja nun kein Problem, denn der Junge war ja jetzt kaum mehr größer als sie.
"Ach Michael, du brauchst keine Angst zu haben. Du gewöhnst dich schon daran. Es ist gar nicht so schlimm. Aber jetzt musst du versuchen, ob du mit deinen Flügeln zu Recht kommst. Es ist ja für dich etwas ganz neues zu fliegen. Habe Mut und mach es uns nach."
Goldie begann mit ihren Flügeln zu flattern und hob vom Boden ab. Auch Honiglöckchen erhob sich in die Luft. Michael versuchte ängstlich seinen Rücken zu beäugen. Wieder wurde er von Goldie gerufen:
"Na los, komm doch endlich. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Deine Flügel werden dich tragen, so wie uns unsere durch die Luft fliegen lassen."
Vorsichtig begann er mit den Flügeln zu flattern. Sanft erhob er sich in die Luft. Michael flog. Es war ein wunderbares Gefühl. Immer höher und höher stieg er zum Himmel hinauf. Der Junge wurde sehr waghalsig und so mussten ihn die Bienen zur Vorsicht rufen.
Michael verlangsamte seinen Flug. Ihm war wieder eingefallen, dass er ja seinen Freunden helfen wollte und aus diesem Grund fliegen konnte und der Zaubertrank nicht ewig wirken würden. Er schaute sich nach den Bienen um. Goldie und Honiglöckchen saßen wieder auf einer Löwenzahnblüte. Michael flog zu den Beiden und versuchte neben ihnen zu landen. Doch statt wie geplant auf seinen Füßen zum stehen zu kommen, landete er der Länge nach auf dem Bauch. Die Bienen lachten und Goldie sagte:
"Na, das Landen musst du wohl noch Üben. Aber jetzt wollen wir überlegen, wie wir unsere Königin befreien können." ...

 

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